„Überzeugen ist gesellschaftlicher Fortschritt, Menschen gegen ihren Willen zu zwingen dagegen nicht.“
Das Thema „Allgemeine Impfpflicht“ wurde zuletzt zum ersten Mal im Plenum debattiert. Die Abwägung zwischen staatlicher Schutzpflicht einerseits und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit andererseits ist eine medizinethische Frage. Deshalb ist es gut, wenn der Deutsche Bundestag eine offene Orientierungsdebatte führt, bevor die Gruppenanträge oder Gesetzentwürfe eingebracht werden.
Eine hohe Impfquote ist und bleibt der Königsweg aus der Pandemie. Ob allerdings eine gesetzliche Impfpflicht automatisch zu einer ausreichend hohen Impfquote führt, ist zweifelhaft. Neben immensen Umsetzungsproblemen im Verwaltungsvollzug, den erheblichen Schwierigkeiten in kürzester Zeit ein rechtskonformes Impfregister aufzubauen oder der berechtigten Frage nach sozial gerechten Bußgeldern zeigt auch ein Blick in die Geschichtsbücher: Eine staatliche Impfpflicht mobilisiert Widerstand, führt zu gefälschten Impfausweisen und terminiert ganz allgemein Vertrauen in die staatlichen Institutionen.
Dabei bleibt die Lage volatil. Vielleicht kommt im Herbst eine Variante, die so gefährlich ist wie Delta und so infektiös wie Omikron. Vielleicht kommt sie nicht. Um überhaupt Nutzen aus der Impfpflicht ziehen zu können, müsste man sie quasi auf Verdacht beschließen. Grundrechtseinschränkungen auf Vorrat lehne ich ab.
Längst sind noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, eine höhere Impfquote zu erreichen. Totimpfstoffe sind in der Zulassung, Medikamente werden entwickelt und Krankenhäuser lernen, Intensivkapazitäten flexibel der Lage anzupassen. Viel hängt auch von der Kommunikation mit Ungeimpften ab. Gehen wir ernsthaft auf die unterschiedlichen Motivlagen ein? Gibt es niedrigschwellige und empathische Beratungsangebote?
Deshalb sage ich: „Überzeugen ist gesellschaftlicher Fortschritt, Menschen gegen ihren Willen zu zwingen dagegen nicht.“